The German Edition of the
'Rolling Stone' Magazine (Oct. 2017, p. 102) gave in a Review 4 out of 5 stars for the concert in Hamburg:
THE ROLLING STONES
Hamburg, Stadtpark****
Ja, es ist Liebe! Die Beziehungsexperten der Zeitung "Die Welt" hatten vorab tiefere Schwingungen zwischen Hamburg und den Stones ausgemacht, auch wenn die Recherche nur die 1965 obligatorische Saalschlacht in der Ernst-Merck-Halle hergab sowie einen als Pressekonferenz getarnten Hafentrip auf dem MS St. Pauli, fast auf den Konzerttag genau vor 47 Jahren. Doch jetzt: Premiere der "No Filter"-Tour! Erstes Konzert auf der großen Wiese im Hamburger Stadtpark seit 1989 (Pink Floyd)!
Auf der Suche nach einer Bühnenidee ist die Band 2017 bei einer überdimensionierten Bushaltestelle angekommen, umschlossen von vier riesigen LED-Türmen. Und jetzt spielen sie (erstmals seit 1990) "Play With Fire", getaucht in ein wogendes Farbenmeer. "Paint It Black" spukt monochromatisch, während "Miss You" zur Neondisco-Kulisse zelebriert wird. Mal sind die Leinwände nach Motiven gesplittet, dann wiederum rifft Keef über die ganze Breite des gigantischen Beamers. So werden die Songs scharf gestellt, ohne sie zu überfrachten. Man kann viel falsch machen auf so einer gigantischen Optik-Spielwiese – die Stones machen fast alles richtig.
So bleiben sie teils stoisch, teils komisch old-fashioned und bedienen doch Sehnsucht und Sucht des digitalisierten Menschen, in Bildern und Bildschirmen zu leben. Und wenn Musik und Bilder harmonieren, scheint es fast, als könnte die Zeit doch auf die Stones warten. Zugleich schwingt natürlich stets die Ahnung mit, dass es jetzt vielleicht wirklich schon das letzte Mal sein könnte. Was sich in keinem anderen Moment der mehr als zwei Stunden schöner verdichtet als zur Keef-Time, nach einer ausführlichen Vorstellungsrunde, in der Jagger auch einen gewissen "Mister Holz" (Ronnie Wood) aufruft.
Keith Richards also hat gerade sein "Honky Tonk Women"-Solo leicht vergrützt, richtet nun sein Mikro und frotzelt erst mal über Jagger, der immer wieder tapfer Deutsches vom Teleprompter liest (Highlight: "Ick hoffa, eihr benehmt euck bessa als die Pink-Floyd-Fans!"). "Crap German", verspricht Richards, werde man von ihm nicht hören – um sich dann so innig und ganz bei sich in "Slippin' Away" zu schwingen, als gäbe er ein Hauskonzert vor 80.000 Wohnzimmergästen. Es ist dies ein überraschend intimer, anrührender Moment an einem Abend ohne die ganz großen Überraschungen.
Gut, sie exhumieren tatsächlich ihren '73er Todesflirt "Dancing With Mr. D". Auch gibt es ein eher lahmes "Under My Thumb" als Gewinner eines Publikumsvotings zu hören. Und nach dem Keef-Intermezzo, das auch noch ein gewohnt schiefes "Happy" beinhaltet, bleibt die Band dann doch wieder in Erwartungen gefangen, von denen sie glaubt, dass die Menge da draußen sie hätte.
So rumpelt "Midnight Rambler" gewagt über seine Rhythmuswechsel, animiert Jagger aber im Breakdown doch mal zu spontaner Kommunikation mit dem Publikum, um noch finalen Drive zu entwickeln. "Street Fighting Man", das, sorry, blöde "Start Me Up", das eigentlich nur als Opener taugt. Aber da hatten die Stones ja mal eben schon "Sympathy For The Devil" platziert, das sich ankündigungslos, hin- und mitreißend aus roter Pyrokulisse schälte. Dazu passend trug Charlie todschicke rote Socken und imposante Kopfhörer (nur für diesen Song). Aber ein neues Snare-Fell hatten sie ihm zum Tourauftakt nicht spendiert.
"Brown Sugar" bringt immerhin ein schön überblasenes Bobby-Keys-Gedächtnissolo von Saxofonist Karl Denson. "Gimme Shelter" wird ewig dunkel strahlen. Auch ein Bild des Abends: wie Mick Jagger im "Hu-hu-hu"-Finale zwischen den Background-Stimmen Sasha Allen und Bernard Fowler ein bisschen Wärme sucht. Ja, und natürlich, zum Abschluss des regulären Sets: "Satisfaction". Damit schließt sich ein Kreis, denn das ist der einzige Song, den sie schon 1965 in der Ernst-Merck-Halle spielten.
Und ja: Ein bisschen Liebe war auch dabei. JÖRG FEYER - [
www.RollingStone.de]
Edited 1 time(s). Last edit at 2017-09-28 18:45 by Irix.